Sicherer Schulweg: 1,5 Meter Abstand, der Leben rettet!

In einer durchschnittlichen Woche verletzen sich 25 Kinder auf Schweizer Strassen – viele von ihnen auf dem Velo. Wenn Autolenkende ihnen genügend Platz lassen, sinkt das Risiko.
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Was sind schon 1,5 Meter?

Die Grösse einer kleinen erwachsenen Person. Vielleicht die Länge eines Tisches oder eine halbe Fahrbahn. So oder so: 1,5 Meter sind nicht viel. Und dennoch können diese im Strassenverkehr Leben retten, wenn wir nämlich als Autolenkende bei Kindern diesen Abstand einhalten.

Eine typische Verkehrssituation im morgendlichen Verkehr: Alle Autos sind nahe der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unterwegs. Schliesslich warten im Büro viel Arbeit sowie eine Kaffeemaschine. Neben uns bewegen sich aber auch die Kinder Richtung Schule. Viele von ihnen am Strassenrand mit ihren Velos oder auch auf einem Velostreifen, wenn es denn einen hat.

Gerade für die Jüngsten kann die morgendliche Verkehrshektik ein Stress und eine Verunsicherung sein. Mit wenig Abstand, aber hoher Geschwindigkeit, fahren die Autos an ihnen vorbei. Und dennoch müssen sie sich dieser Situation stellen: Sie müssen lernen, sich im Strassenverkehr richtig und sicher zu verhalten. Genau wie Kinder auch sonst Lernende in zahlreichen Situationen des Lebens sind, sind sie es auch im Verkehr.


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Kinder lernen schnell, aber …

«Bei jedem Lernprozess geschehen Fehler», sagt Raphael Hermann, Polizist und Chef Verkehrserziehung bei der Freiburger Kantonspolizei. Kinder sind oft abgelenkt und vergesslich. Sie lernen unglaublich schnell, aber tun dies – wie jeder Mensch – oft durch eigene Fehler. Im Strassenverkehr kann das aber fatal enden.

Pro Jahr verunfallen 1’300 Kinder (bis 14 Jahren) auf Schweizer Strassen. Bei rund 520 von ihnen passiert es auf dem Schulweg. An einem durchschnittlichen Schultag gibt es also zwei oder drei Unfälle. Ein Unglück mit einem Kind ist nicht nur für dieses selbst und die Familie belastend, sondern auch für beteiligte Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung sind verkehrstechnisch gesehen bei 60 Prozent der Verkehrsunfälle mit Kindern zwar diese selbst die Hauptverursacher. Doch für Autolenkende fühlt sich ein solcher Ernstfall deswegen nicht besser an. Das heisst: Es gilt um aller Beteiligten Willen, diese Unfälle zu verhindern.

Verkehrspädagoginnen und -pädagogen nennen deshalb als Faustregel auch: Lasst den Kindern auf Velos bitte 1,5 Meter Platz, wenn ihr sie überholt. «Das reduziert die Gefahr für die Kinder», erklärt Polizist Hermann. Gerade für die jüngeren Schulkinder, die noch Mühe haben, ihr Gleichgewicht zu halten und auch mal unerwartet stark nach links ausschwenken, Richtung Fahrbahn der Autos.

«Der Mindestabstand von 1,5 Metern gilt nicht nur gegenüber Radfahrern, sondern auch gegenüber Kindern, die auf Tretrollern, Skateboards oder zu Fuss unterwegs sind.»

Diverse Verhaltensregeln und Gesetze

In vielen Nachbarsländern gibt es beim Überholen von (allen) Velos bereits einen gesetzlichen Mindestabstand. In Deutschland sind es beispielsweise die besagten 1,5 Meter oder sogar zwei Meter für Lastwagen, bei schlechter Sicht, Wind und Kindern.

In Frankreich gilt innerorts 1 Meter Abstand, ausserorts sind es 1,5. In der Schweiz schreibt das Gesetz lediglich einen «ausreichenden Abstand» vor. Hinsichtlich einer klaren Abstandsregelung ist die Schweiz also die (Verkehrs-)Insel Europas.

Kritiker würden sagen: Der Platz auf einer Strasse ist begrenzt, 1,5 Meter sind eine halbe Fahrbahn, wie soll ich da denn überhaupt überholen? Soll ich etwa die Mittellinie überfahren? Polizist Hermann erklärt: «Als Autofahrerin oder Autofahrer muss man sich in jeder Situation an die Verkehrsregeln halten. In dieser heisst es einfach: fahren im Schritttempo bzw. im Tempo des Velos.»

Die Lücke gegenüber dem Velofahrenden bedeutet zudem nicht 1,5 Meter gegenüber dem Trottoirrand. Die Breite des velofahrenden Kindes von wohl 60 bis 70 Zentimetern muss eingerechnet werden. Ungeachtet dessen, ob ein Velostreifen vorhanden ist oder nicht.

«Kinder können Geschwindigkeit und Distanzen noch nicht so gut einschätzen wie Erwachsene, daher ist es besonders wichtig, einen grosszügigen Sicherheitsabstand einzuhalten.»

Autolenkende in der Verantwortung

Gegenüber Kindern im Strassenverkehr stehen Autolenkende in der Verantwortung. Diese müssen sich entlang der sicherheits- und fahrpraxisbedingten Grenzen der Kinder verhalten, die sich vielleicht noch nicht sicher bewegen. Zumal Kinder der Schweiz ab dem Alter von sechs Jahren auf der Strasse Velo fahren dürfen. Ob sie das auch tun, obliegt der Verantwortung der Eltern. Sie sollten die Kinder deshalb so lange wie nötig begleiten und erst dann allein am Verkehr teilnehmen lassen, wenn es die Fähigkeiten des Kindes und die Strassenverhältnisse zulassen.

Zahlen zeigen, dass genau jene Monate, in denen die Schule beginnt, in punkto Velounfälle heikel sind. Auch weil der Schulanfang im warmen Spätsommer ist, wo man lieber mit dem Fahrrad unterwegs ist als im Winter. Der Juni ist der Monat mit den meisten Velounfällen in der Schweiz (761). Mit etwas Abstand folgen Juli, August und September auf ähnlichem Niveau (je zwischen 652 und 684).

«Eine vorausschauende Fahrweise und Rücksichtnahme auf schwächere Verkehrsteilnehmer tragen wesentlich zur Verkehrssicherheit bei.»

Wie also erfolgreich und korrekt Abstand halten? Sie erfahren es im Video:

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Interview mit Dagmar Rösler, Primarlehrerin und Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz: «Die räumliche Wahrnehmung ist noch eingeschränkt».

Was halten Sie als Pädagogin von der Empfehlung, beim Überholen von Kindern auf dem Velo immer einen Abstand von mindestens 1,5 Meter einzuhalten?
Dagmar Rösler:
Ich finde die Idee gut. Als Autolenkende sollte man sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass gerade Kinder im Vor- und Grundschulalter auch im Verkehr Lernende sind, die noch Fehler machen. Nicht nur wegen der fehlenden Routine, sondern auch aufgrund von noch nicht komplett ausgereiften kognitiven Fähigkeiten. Die Hauptverantwortung muss bei den Erwachsenen liegen.

«Es ist besonders wichtig, einen grosszügigen Sicherheitsabstand einzuhalten, um die Sicherheit der jüngsten Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.»

Welche spezifischen Fähigkeiten fehlen Kindern im Vor- und Grundschulalter, um mit dem Velo sicher unterwegs zu sein?
In diesem Alter ist die räumliche Wahrnehmung noch eingeschränkt. Unter anderem lassen sich Geräusche deshalb weniger gut orten. Die geringere Aufmerksamkeitsspanne führt ausserdem dazu, dass sie sich weniger lang konzentrieren können und schneller müde werden. Dem muss man im Verkehr Rechnung tragen.
Ab welchem Alter sollten Kinder frühestens ohne Begleitung auf der Strasse Velofahren?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt auch Zehnjährige, die Schwierigkeiten haben, auf dem Velo das Gleichgewicht zu halten. Diese sollten den Schulweg noch nicht mit dem Velo absolvieren. Nebst den technischen Fähigkeiten ist wichtig, dass wir als Erziehungsberechtigte die Kinder für die Sicherheit im Strassenverkehr sensibilisieren, dass wir sie begleiten. Nur durch Routine entwickeln Kinder das Gefühl für die Gefahren im Verkehr.

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